Ich war dieses Jahr Zürich, Düsseldorf und Stockholm in persönlicher Bestzeit gelaufen und wollte für die deutschen Herbstläufe fit bleiben., ein kleiner “Urlaubsmarathon” wäre also angebracht.
Auf der Internetseite http://www.runningintheusa.com/ tippt man auf einen Bundesstadt und bekommt alle Läufe aufgelistet.
Sofort fällt ein Name ins Auge: “Grizzly Marathon”<
> “Ey Alder, der name funzzt “ Zwischen Glacier Nationalpark und Yellowstone Nationalpark gelegen, lag der Lauf in der Kleinstadt Choteau auf meiner geplanten Route.<
> Der Lauf führt durch die Grizzybär-Erholungszone, die Website verspricht: “The course will be well-monitored for runner`s safety”, so dass keine Gefahr bestünde von einem Grizzly überholt zu werden. Ein Zeitlimit von 7 !!!!!! Stunden zeigt schon , dass der Lauf nicht einfach sein würde.<
> 3 Wochen vorher lande ich in den USA. Die folgenden Trainingsläufe in den Nationalparks Nordamerikas zählen zu den schönsten Lauferlebnissen.Zwar werde ich des Öfteren von Rangern ermahnt, aufs Laufen zu verzichten, um nicht den Jagdinstinkt der Bären und Pumas zu wecken, auch die Reaktionen mancher in ihren klimatisierten Autos sitzenden dicken Amerikaner, von Mitnahmeangeboten bis zu Erinnerungsfotos machen das Laufen in diesem Land des fastfoods nicht einfach, jedoch zählen meine Trainigsläufe in dieser grandiosen Natur zu den schönsten Urlaubserinnerungen.<
> Einen Tag vor dem Lauf reise ich in Choteau an. 227 Marathonläufer und etwa noch mal so viele Halbmarathonläufer füllen in den nächsten Stunden die kleine Stadt mit etwa 1700 Einwohnern. Im besten Motel der Stadt ist die Startnummernausgabe. Der Rummel in dem kleinen Raum wird auch noch von einigen Stadtbewohnern genutzt um ihreBasteleien und handwerklichen Produkte zu verkaufen. Meine kleinen Deutschlandfahnen bewirken die Frage, ob ich aus Kansas sei.-Nun ein bißchen mehr Bewunderung als einziger Ausländer hatte ich mir schon erhofft gehabt....<
> 30 Kilometer vor der Stadt ist der Start mit einer Amerikaflagge und 7 mobilen Klohäuschen gekennzeichnet.Ich parke mein Wohnmobil 10 Meter von der Startlinie entfernt, aber in respektvollem Abstand zu den Klohäuschen.
Auf der steinigen Wiese am Start zelten 2 Läufer. Das Wohnmobil bietet Schatten vor der heißen Präriesonne, sodass die 2 Männer gerne zu einem Gespräch bereit sind. Es sind zwei Ex-Irakkrieger mit merkwürdigem Akzent, die mir von ihrem harten Job erzählen.
Als die Glutsonne hinter den Rocky Montains untergeht wid es schnell empfindlich kalt. Immmerhin sind wir hier 1500 Meter hoch in den Rockies.
Beim Einschlafen geh ich in Gedanken die Streckenführung durch: eine riesige, quadratische Pfanne mit einem Stiel bei Meile 19.Vom Start 8 Meilen und 300 Höhenmeter abwärts in die Prärie. Dann beginnt die Tortur auf “unpaved Road”, mit harten Steinen, mehrfach einige hundert Höhenmeter hoch und runter um dann einer Skisprungschanze gleich bei Meile 19 von 1300 auf über 1500 Höhenmeter anzusteigen. Danach mehrere Hügel bis zum Ziel bei Meile 26 und ein bißchen. Der Halbmarathon sollte entgegengesetzt gelaufen werden. Start, beider Läufe um 6:30 Uhr.<
> Um etwa 3:30 werde ich durch eine unangenehme Eigenart der Amerikaner geweckt: ein amerikanisches Auto, ohnehin nicht gerade leise, muss exakt eingeparkt sein, auf einer großen Wiese an sich kein Problem(für einen Europäer), wäre da nicht mein Wohnmobil, an welchem sich alle ankommenden Autos anordnen und in exakter Linie sich ausrichten.
Durch das kleine Fenster des Campers ein gespenstisches Wirrwar: hell erleuchtet durch grelles Generatorenlicht werden zahllose Autos von Männern mit roten und grünen “Laserschwertern” dirigiert. Da jedes Auto eines Läufers von 3 bis 4 Wagen der Freunde und Familienmitgliedern begleitet wird, gleicht die Szene der Ankunft eines Kampfgeschwaders auf einen Flugzeugträger. Obwohl außerhalb des Lichtkegels es noch stockdunkel war, bildeten sich vor den Klohäuschen meterlange Warteschlangen, und eine ungewöhnlich große Anzahl kläffender Kleinstköter machte das Chaos perfekt.<
> An Schlaf war nicht mehr zu denken, so grübelte ich in den nächsten Stunden über Streckenverlauf und angemessener Laufkleidung nach.
Als ich um 6:25 aus dem Wohnwagen raustrete um zur Startlinie vorzugehen, hatte ich mich für ein ärmelloses Hemd und kurzer Laufshort entschlossen, obwohl es um die 5 Grad kalt war.<
> Sämtliche Mitläufer hatten mindestens knielange Laufhosen an, viele Handschuhe und langarmige Hemden. Ausgerüstet mit denm neuesten Schnickschnack und Bändeln und sonstigen Assessoires.
Das Durchschnittsgewicht der Läufer lag erstaunlicherweise deutlich unter dem derjenigen bei einem deutschen Stadtmarathon.
Obwohl ich auch einige Dicke sah, so waren die meisten Läufer ausgemergelte, halbverhungerte Gestalten, wie ich sie selbst in der Spitzengruppe eines Stadtmarathons nicht oft gesehen habe. Relativ viele Frauen, obwohl man einige als solche erst beim 2. Hingucken als solche , und nicht als Skelett identifizieren konnte.<
> Vor der Marathonstartlinie war eine Linie für die Halbmarathonläufer. Allgemeine Verwirrung, da niemand recht wusste auf welcher Linie er starten sollte.
Unter der amerikanischen Flagge war nun eine Digitalanzeige angebracht, der Countdown war schnell abgelaufen und ich wunderte mich ,warum niemand loslief, ich dachte, wie wollen die denn die Zeit jetzt messen???? als ein Offizieller ein Gebet sprach: “...aufdass Gott den Soldaten im Irak und uns beim Marathon die Kraft gibt...labarababer.....”<
> “Oh Mann”, dachte ich....jetzt noch um göttlichen Beistand beten, Training wäre besser gewesen....
Ich dachte jetzt geht’s los!
Nix! Erst die Nationalhymne von Montana! geht’s jetzt los???
Nix! Nun die Nationalhymne von USA
Währenddessen überlege ich, ob es einfacher ist, 26 Meilen oder 42 Kilometer zu laufen,. Die Halbmarathonis , vor der Startlinie stehend, drehen sich zu uns nach hinten zur Startlinie um, dort hängt die Flagge, (ich war der Einzigste, der nicht die Hand aufs Herz drückte) Die Leute ringen noch mit den Tränen, als der Typ auf dem Lastwagenanhänger mit neu Maschinengewehr!!!!!! Wie wild um sich feuert Ratatatatatat der Startschuß .
Panik entsteht, als einige Halbmarathonis schnell hinter die Startlinie der Marathons (gekennzeichnet mit “Full Marathon”)wollen. Zusammenstöße sind unausweichlich. Schlimmer wird’s nach 40 Metern...die Marathonis sollen links, die Halbmarathonis rechts laufen....Schmerzhaft wird es dann auf einer schmalen Brücke : die Halbmarathoni-Idioten laufen uns entgegen!
Als einer der schwersten Marathonläufer dieses Feldes schreie ich die zwei Irakveteranen(Halbmarathonis) in den nächsten Canyon und befinde mich erstaunlicherweise im Spitzenfeld der Läufer!!!!
Vor mir etwa 30 Läufer !!! Ich glaubs ja nich! Und das nach nur einem Kilometer!<
> Es geht leicht abwärts in die Prärie hinaus, ich überlege ob ich zu schnell bin..da überholt mich doch glatt so ein Kanarienvogel, quietsch-grüne halblange thights,schwarze kurze hose drüber und rote Socken, rosa Top und weiße Handschuhe,die Handlächen nach oben gedreht...ich schmeiss mich wech!! Die Unterschenkel und Knie mit einem Tape-Wirrwar und Bandagen in den tollsten Farben verklebt.
Ich werde ihn “Mosi” nennen.
Als die Sonne aufging, bin ich froh die richtigen (kurzen)Klamotten gewählt zu haben.
Meile 7. Kurve rechts, heiße Sonne links. Hier beginnt die “graveld Road”. SCHOCK!
Keine Straße sondern ne Kiesgrube.
Mein bisheriger leichter Lauf wurde zur Katastrophe, jeder Schritt war eine Qual. Die 1.Steigung. Fuck. Von 1300 Höhenmeter auf 1600 !
Faustgroße Steine in greller Sonne gaben einem das Gefühl, wie auf Sand immer wieder zurückzurollen.
Die Lunge schmerzt,der Kies ist höllisch, die Gelenke brennen.
Ich überhole eine Frau in Tenniskleidung, mit einem Hinterteil, das die Vakuumtoilette im Airbus 800 luftdicht verschlossen hätte.
Meile 8,9,10 nur bergauf, kein Wasser,kein Baum,nur gelbes Gras.
Ich überhole einen kleinen,dicken italienischstämmigen Ami mit nacktem Oberkörper, dessen doppelt-v-förmige Fettfalte seinen schwarz-behaarten Rücken in 6 häßliche Abschnitte unterteilt.
Dann einen seltsamen “High-School-Footballspieler” mit Schulterpolster im Dress der Denver Broncos.
Ich sach Euch..die spinnen die Amis....
Einen schlacksigen Hüftschwinger und einen Sportler mit weißen Handschuhen.
Oben angekommen: ein grandioser Ausblick über die Weiten der Prärie.<
> Wende.Sonne von hinten. Es geht wieder bergab. Ich sehe etwa 20 Läufer auf den nächsten 4 Meilen unter mir.
Wie auf dem Platz der Alten Oper,beim Frankfurt - Marathon; so läuft es mir jetzt eiskalt den Rücken runter, als ich diesen grandiosen Ausblick genießen kann.
Vor mir der “Mosi”, als ich vom Hüftschwinger überholt werde:”Only 10 miles to go”,dann blieb er stehen.Ich habe ihn nie wieder gesehen.
Auch der “High-School-Footballspieler” überholt mich mit seltsam hüpfendem Gang, und seinen weit ausladenden Schulterpolstern.
Als ich bei Mile 16 den “Mosi” überhole, fällt mir auf, dass er seine quitsch-grüne tights nicht mehr an hat, sämtliche Bandagen und assessoires waren verschwunden.
Sein “Boxenstopp” in einem der Dixiklos auf der Strecke(so ist das in Amerika) hat ihn also 2 Milen gekostet.<
> Die Meile 17. Der “Pfannenstiel” Es geht wieder steil bergauf. Von 1500 auf 1900 Meter. Ein starker Wind aus den Rockies vernichtet die Aussicht auf eine gute Endzeit.
Eine Gruppe von 7 Farmerstöchtern steht am Rand, während ich mich hoch kämpfe und rufen mir zu: “ Good job.... Go ahead”.
“Du änderst dich nie ,Alder” sage ich zu mir, während ich mir die Worte der Mädchen auf meine Weise übersetze...
Die Meile 18 hats in sich. Wie eine Skisprungschanze ragt der Weg vor mir auf. Von oben kommen mir 3,4 Spitzenläufer entgegen.
Die Lungen schmerzen höllisch, der Gegenwind aus den Bergen wird unerträglich, schlimmer als damals 2002 beim “Windmarathon “in Frankfurt, als die Absperrungen wegflogen.
Auf halber Höhe: 4 Cheerleader-Mädels. Meine Laufhaltung mies,Tempo eines 3jährigen.. Ein Skelett in Laukleidung liegt bäuchlings auf dem Boden “Super Die”...noch 100 Meter steil bergauf bis zum Wendepunkt bei Meile 19...hoch auf den scheiss Tafelberg..
Geschafft.<
> Ein riesiger Plüschgrizzly drückt mir eine Medaille in die Hand (was soll das??). Ich dreh mich um und laufe mit riesigen Schritten abwärts.
Brust raus,Ellbogen spitz nach oben..laufe ich an den Cheerleader-Mädels vorbei und lasse mein schlechte Erscheinungsbild von vorhin verblassen.
Es läuft super.schmerzlos,locker.
Läufer laufen mir bergauf entgegen, gratulieren mir, klatschen , jubeln.
Linkswende, Versorgungsstation, blaue,weiße Getränke,quitschgrüne Bananen (“Mosi“?)
Seh ich vor mir den “High-School.-Footballspieler “ Häääää? Der hatte mich doch schon überholt!
Mann! Der faule Sack hat die Skisprungschanze nicht mitgemacht!
-----hier bricht die Aufzeichnung , die ich während des Rückfluges gemacht hatte ab---wahrscheinlich war der Rotwein im Flieger schuld----<
> Von über 227 Startern erreichten nur 111 das Ziel ! Ich wurde 25ter, rutschte aber wegen Disqualifikation von 2 Läufern auf den 23ten Platz hoch...
3 Kommentare:
hallo joe,
also ich weiss ja nicht, aber irgendwie bewundere ich dich, ob dieses berichtes. grandios, ehrlich. :-)
DSD das stimmt doch
schoaf
wunderbarer Bericht DSD
und scharfe Mädels an der Strecke...sehr schön...
Martin dein Walkingfreund
Die Geschichte am Start habt mich umgehauen. Ist ja der Hammer. Toller Bericht.
Gratualtion fürs durchhalten.
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